Pflege im Test

Pflege auf Abwegen

Die Pflegeversicherung wurde 1995 eingeführt. Etwa in dieser Zeit wurde ich Zeuge, wie Pflege auch schief gehen kann bzw. Leistungen missbraucht werden können. Wenn ich heute durch die Stadt radele und die Fahrzeuge dieses Unternehmens mit Eigenwerbung sehe, muss ich unweigerlich daran denken. Ich hatte damals gerade meinen Magister gemacht, war frisch verheiratet und das erste Kind war unterwegs. Ich war noch sehr blauäugig. In Schöneberg, am Bayerischen Platz, lebte meine Tante Grete. Sie lebte zu diesem Zeitpunkt schon sehr lange dort. Seit 1927. Ihr Vater war einer der ersten Verkäufer in der Herrenabteilung des neu gebauten Karstadt am Herrmannplatz gewesen. Wenn ihr einer ihrer jungen Cousins aus Westdeutschland eine Postkarte schrieb, kam sie auch an, wenn nur „Margarete, Bayerischer Platz“ draufstand.

Postboten ohne künstliche Intelligenz

Die Postboten damals waren auch damals ohne künstliche Intelligenz auf Zack und das bei einem viel größeren Briefaufkommen als heute. Kurzum, Grete kam in ihrem Kiez sehr gut zurecht, bis es eines Tages nicht mehr ging. Dank der neuen Pflegeversicherung konnte jemand mehrmals die Woche vorbeikommen, der nach dem rechten sah. Wegen meiner neuen Verpflichtungen als Vater und Ehemann hatte ich nicht mehr so viel Zeit und freute mich über Entlastung. Ich führte die Gespräche mit dem Pflegedienst und war angetan, als nach anfänglichen Schwierigkeiten Grete sich mit der neuen Pflegekraft anfreundete. Als diese zu einem anderen Unternehmen wechselte – dem mit dem oben erwähnten Dienstfahrzeugen – wechselte ich auch, weil ich die Pflegerin meiner Tante erhalten wollte. Dann wechselte diese nach kurzer Zeit von neuem und ich beließ es bei dem Pflegedienst. Alles ging seinen Gang und ich verfiel in eine Routine des guten Glaubens. Einmal die Woche besuchte ich mein Tantchen am Bayerischen Platz noch und an einem heißen Sommertag traf ich die Pflegerin meiner Tante, die gerade die Treppe herunterkam. Sie war nicht nur bei Grete, sondern auch bei Frau Skibbe, die genau über meiner Tante wohnte. Frau Skibbe war eine ruhige Zeitgenossin, eine Vertriebene aus Ostpreußen, ohne Familie und Anhang. Sie fiel nur regelmäßig genau einmal am Tag auf, wenn sie den Sandmann einschaltete und danach die Abendschau verfolgte. Und das bei maximaler Lautstärke.

Tatütata, die Feuerwehr ist da!

Ich fragte die Altenpflegerin, wie es denn Frau Skibbe ginge. Den Umständen entsprechend, antwortete sie. Naja, heißer Sommer in der Stadt, das Alter eben. Am nächsten Tag bekam ich einen Anruf von der Feuerwehr, sie wollten in die Wohnung meiner Tante, weil sie wahrscheinlich tot sei. Der Hausmeister hätte ihnen meine Telefonnummer gegeben. Ich berichtete, dass ich gestern noch bei ihr gewesen sei und sie putzmunter gewesen wäre. Ich versprach gleich vorbeizukommen, da ich ja einen Schlüssel besaß. Als ich nach einer halben Stunde Bahnfahrt eintraf, war die Eingangstür zertrümmert, die Feuerwehr hatte nicht warten wollen. Meine Tante lebte. Sie hatte auf dem Balkon interessiert verfolgt, wie die Feuerwehr vorfuhr. Die Treppe herunter kam diesmal nicht die Pflegerin, sondern ein junger Mann, der sich als Staatsanwalt vorstellte. Er hätte ein paar Fragen. Wann ich denn die Nachbarin von oben, Frau Skibbe, das letzte Mal gesehen hätte? Oh, das sei schon länger her, aber ich wüsste sie ja in guten Händen, die gleiche Pflegerin, die sich um meine Tante kümmert, sei auch für sie zuständig. Und gestern hätte sie mir höchstpersönlich bestätigt, es gehe ihr den Umständen entsprechend. Der Staatsanwalt schaute mich verwundert durch seine Brille an und meinte, die genauen Umstände seien nicht bekannt, aber die Frau Skibbe sei vermutlich seit 3-4 Monaten tot und läge im Flur ihrer Wohnung.

Den Nachbarn fiel der Geruch auf

Nachbarn hätten sich über den Geruch mokiert und es sei zudem aufgefallen, dass am Abend der Fernseher nicht mehr eingeschaltet wurde. 3-4 Monate. Da musste ich schlucken! Die Altenpflegerin hatte in dieser ganzen Zeit nichts unternommen! Als ich sie auf der Treppe abgepasst hatte, war sie ja von oben gekommen. War sie in der Wohnung gewesen? Hatte sie sich an den Küchentisch gesetzt und eine Runde geraucht? Oder hatte sie an der Tür kehrt gemacht und war so in meine Armne gelaufen?

Verschwunden: Ein Koffer voller Geld

Was aus der Pflegerin geworden ist, keine Ahnung. Ich wurde jedenfalls wenige Wochen später von dem Pflegedienst angezeigt, ich hätte Sachen aus der Wohnung meiner Tante entwendet. Tatsächlich waren mehrere Sachen verschwunden, ein alter Fotoapparat, ein Koffer voller Geld – allerdings nur Reichsbanknoten. Der Staatsanwalt, diesmal ein älterer rauchender Herr, lud mich vor und schenkte den Anschuldigungen keinen Glauben. Er zeigte mir Fotos, die der Pflegedienst gemacht hatte, als sie zum ersten Mal bei meiner Tante gewesen waren. Sie mussten die Schränke durchsucht und Schmuck abgelichtet haben. Dieser Schmuck sei jetzt weg. Ich verneinte das, er sei noch da, nicht aber der Fotoapparat und der Geldkoffer. Den Schmuck hatte meine Tante mir erst neulich gezeigt und wahrscheinlich irgendwo anders versteckt. Der Staatsanwalt lächelte mich an, nickte verständnisvoll mit dem Kopf und schickte mich nach Hause. Ich habe von der Sache nichts mehr gehört. Kurz danach erlitt meine Tante einen Schlaganfall und wurde in ein Heim in Schöneweide eingeliefert, weit ab von ihrem angestammten Kiez, weil es dort einen freien Platz gab. Sie war halbseitig gelähmt und konnte nicht mehr sprechen. Ihre Augen blitzten aber noch wissend, als ich sie besuchte. Mit der Rechten konnte sie noch meine Hand drücken und mir zunicken. Ein paar Wochen später holte sie der Herr zu sich.

Den Namen der Pflegefirma möchte ich nicht nennen

Den Namen der Pflegefirma möchte ich nicht nennen, der Gründer der Firma war damals sehr überzeugend rübergekommen, vielleicht hatte er seine Leute nicht im Griff. Ich hoffe, meine Tante und die Nachbarin waren die einzigen Ausrutscher. Aber ich glaube, so blauäugig wie damals kann ich heute, fast 30 Jahre später, nicht mehr sein.

Es geht auch anders!

Mittlerweile kann ich auch vergleichen. Beruflich habe ich jetzt seit fast 10 Jahren mit RENAFAN in Tegel zutun. Hier finde ich durchweg engagierte, ambitionierte Menschen mit dem Herzen am rechten Fleck und einem moralischen Kompass. Das ist ja nicht selbstverständlich, wenn man meine Erfahrungen mit der anderen Firma hinzuzieht. Für RENAFAN habe ich gerade ein neues Jobportal aufziehen dürfen. Dass Menschen ihren Arbeitsplatz wechseln, ist nichts neues, siehe oben. Aber der Anteil der Quereinsteiger hat doch zugenommen, oder? Auf dem Portal www.renafan.jobs werden neben den Pflegefachkräften auch Pflegehelfer und Hauswirtschaftskräfte angesprochen und darunter können auch Menschen sein, die neu in diesem Berufsbild sind. Fort- und Weiterbildungen bietet RENAFAN auch in seinem Haus an, in der hauseigenen Pflegeakademie. Schön, dass es auch anders geht.